Vom Bunker in den Kerker – ein Tag zwischen Wasserfall, Wahnsinn und „Wäre es nicht besser ohne Menschen?“

Der Morgen begann im Hotel Delfin, einem Haus, das auf einem ehemaligen italienischen Bunker steht. Und ehrlich: Man spürt es. Nicht wegen heroischer Geschichte oder tragischer Architektur – nein. Sondern weil das Badezimmer mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit exakt die Maße des ursprünglichen Munitionslagers hat. Spatzlchen bezeichnete es als „etwas zu klein“. Das ist nett ausgedrückt. „Einpersonenkonzept mit Überwindungsfaktor“ trifft es besser. Wer romantische Wellnessmomente erwartet, bekommt stattdessen den Charme einer feldgrauen Einmann-Dusche anno 1918. Dafür historisch. Ganz groß im Trend.

Vom Frühstück ging es direkt in den Krka-Nationalpark, wo wir am Skradinski Buk feststellen durften, dass wir nicht die einzigen Menschen mit dieser brillanten Idee waren. Der Ort war so überfüllt, dass man sich fragte, ob es irgendwo einen geheimen Rabattcode gegeben hatte. Besonders auffällig: die Amerikaner. In Gruppenstärke. Mit Volumen. Und stets bereit, die lokale Ruhe mit einem maximal aufgeregten „Oh my Gaaaaad!“ zu perforieren. Wir hatten sofort die leise Ahnung, dass diese Menschen möglicherweise vom Kreuzfahrtschiff im Hafen von Zadar stammen könnten. Und während wir nicht einmal in der Innenstadt waren, konnte man sich sehr gut vorstellen, wie es dort ausgesehen hätte: ein Tsunami aus Sonnenhüten, Flipflops und Selfie-Sticks. Ein chaotisches, klebriges Durcheinander, gegen das selbst Ameisenstraßen wie Modelle organisierter Effizienz wirken würden.

Im „Kerker“, wie Spatzlchen den Krka-Nationalpark liebevoll nennt, wurde uns plötzlich klar, warum. Die Menschenmassen bewegten sich über die Holzstege, als würde jemand ein Slow-Motion-Experiment durchführen. Links posierte eine Influencerin zum 48. Mal an derselben Pfütze. Rechts überlegte ein Herr aus Denver lautstark, ob der Wasserfall „vielleicht etwas sauberer sein könnte“. Und in der Mitte: wir, die versuchten, ohne versehentliches Eindringen in fremde Urlaubsfotos überhaupt weiterzukommen. Naturerlebnis deluxe.

Und dann wäre da noch das kulinarische Erlebnis im Nationalpark-Restaurant, das preislich anscheinend nach der Logik „Wenn sie schon gefangen sind, können wir auch verlangen“ operiert. Drei Würstchen mit Pommes für 19,50 Euro – ein gastronomisches Angebot, das irgendwo zwischen mutig, ambitioniert und komplett schamfrei pendelt. Über den Geschmack möchte ich mich nicht näher auslassen; sagen wir so: Es war Nahrung. Essbar. Funktional. Ein Erlebnis, das man nicht so schnell vergisst – egal, wie sehr man es versucht.

Also weiter zu Roški Slap – dort, wo der Krka-Nationalpark so tut, als wäre er noch ein Geheimtipp. Auf dem Weg dorthin enthüllte sich eine Brücke über den Fluss, die eindeutig nicht für Menschen mit breiten Autos oder schmalen Nerven konstruiert worden war. Die Konstruktion wirkte so eng, als hätte der Erbauer versucht, einen persönlichen Rekord im Flächenminimieren aufzustellen. Die anschließende Straße aus dem Tal war auch nicht besser – eher eine freundliche Erinnerung daran, dass man sein Testament gelegentlich aktualisieren sollte.

Doch unten angekommen: Ruhe. Herrliche Ruhe. Nur Wasser, Mühlen, Stege, kaum Menschen – und eine Parkrangerin, die sich in aller Form dafür entschuldigte, dass der Wasserfall aufgrund des trockenen Sommers etwas „schwächlich“ aussah. Sie war so überaus bemüht, dass man sich fast selbst entschuldigen wollte, überhaupt hingeschaut zu haben. Man merkte: Die Frau nimmt Wasser persönlich.

Und dann: Manojlovački Slapovi. Unser großer, stiller Abschluss. Der Wasserfall, der nicht versucht, Instagram zu beeindrucken. Er ist einfach da. Elegant, rau, fast unbeeindruckt davon, dass weiter unten ein touristischer Ausnahmezustand herrscht. Keine Menschenmassen, keine Selfie-Akrobatik, keine akustischen Übergriffe. Nur Natur, wie sie vermutlich gemeint war – bevor der Mensch beschloss, sie mit Actioncams zu optimieren.

Hier stand man und dachte: So kann ein Tag enden.

  • Mit echtem Rauschen statt künstlichem.
  • Mit Wind statt WLAN.
  • Mit Stille statt Statements.

Es war der schönste Moment des Tages. Und der Beweis, dass selbst ein Nationalpark, der zwischenzeitlich wie ein überlaufener Freizeitpark wirkt, irgendwo noch ein Herz aus Fels und Wasser hat – wenn man nur weit genug vom Busparkplatz flieht.

Etappe: Vom Bunker in den Kerker

Unterkunft:
Hotel Delfin, Zadar
(Am Standort eines ehemaligen italienischen Bunkers)

Nationalpark:
Nationalpark Krka – Offizielle Website

Stopps & Highlights:

  • Skradinski Buk – Hauptwasserfall, sehr besucht
  • Roški Slap – Mühlen & ruhigerer Teil des Parks
    Restaurant & Mühle: Seosko Domaćinstvo Kristijan
  • Manojlovački slapovi – Oberster Wasserfall, sehr ruhig
    Aussichtspunkt: Vidikovac

Besondere Hinweise:

  • Extrem schmale Brücke & Straße am Roški Slap – nichts für breite Autos.
  • Trockener Sommer kann die Wassermenge deutlich reduzieren.
  • Große Besuchergruppen bei Kreuzfahrtschifftagen (insbesondere am Skradinski Buk).

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