Goethe sagte einst: „Man reist nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.“
Daraus lässt sich hervorragend ableiten: Wer radelt oder wandert, der findet.
Nicht immer das, was man gesucht hat – aber immerhin irgendetwas.
Mein Spatzl hatte sich mit einer Freundin in Koblenz verabredet – vermutlich zum Stadtbummel, Latte macchiato und Seelenpflege. Ich hingegen machte mich auf eine etwas mehr als 50 Kilometer lange Radtour durch das Obere Mittelrheintal, diese viel zitierte Ikone europäischer Romantik. Laut UNESCO jedenfalls.
Und die Bedingungen? Frühlingshaft. Sonnig. Und wie sich herausstellte: erschütternd trocken.
Start unter der Loreley – Wo die Sirene schweigt, aber das Navi schreit
Mein Startpunkt: der Parkplatz unterhalb der Loreley. Warum? Weil man in St. Goarshausen zwar in mittelalterlicher Kulisse parken könnte – aber nur, wenn man über den Tarnmantel der Nibelungen verfügt. Ansonsten könnte es teuer werden.
Also Auto abgestellt, Rad gesattelt, Blick über den Rhein geworfen.
Der wirkte schon hier … sagen wir: unambitioniert.
Niedrigwasser? Eher ein „Rinnsal zwischen Steinen“.
Trotzdem losgeradelt. Denn wenn man schon mal da ist – und Goethe recht hat.



Den Rhein hinauf – UNESCO, ich komme!
Die Strecke zur Fähre kurz vor Rüdesheim war schnell gemacht.
Burgen, Schilder, Wandergruppen mit Nordic-Walking-Stöcken, die fest daran glauben, auf Expedition zu sein – alles inklusive.
Rüdesheim selbst? Großräumig umfahren. Ich wollte Rad fahren – nicht im Rosé-Rausch baden.
Die Fähre glitt über einen Rhein, der eher an ein gelangweiltes Bächlein erinnerte als an den sagenumwobenen Strom der Rheinromantik.
Auf der anderen Seite: Bingen.
Und das Beste an Bingen an diesem Tag? Ein Eis.
Wer viel UNESCO sieht, braucht viel Zucker zu überteuerten Preisen.






Zurück durch die UNESCO-Endlosschleife
Von Bingen aus ging es gezwungenermaßen am Rhein entlang zurück. Linksrheinisch, landschaftlich wertvoll, aber zunehmend fragwürdig, was den Kultstatus betrifft.
Burgen säumen den Weg wie überambitionierte Dekoartikel.
Hier ein Fachwerkhaus, dort ein Weinberg, dazwischen ein Info-Schild mit Weltkulturerbe-Pathos, das klingt, als hätte man es bei ChatGPT bestellt: „einmalige Kulturlandschaft“, „herausragendes Zeugnis der Geschichte“, blablabla.
Übrigens: Wer glaubt, eine Rundtour durch ein Weltkulturerbe sei besonders abwechslungsreich, dem sei gesagt – ich kam an allem zweimal vorbei.
Burgen, Weinberge, Infotafeln – einmal von rechts, einmal von links.
Nur die Perspektive änderte sich. Und vielleicht die Windrichtung.
Aber hey: So ist das eben beim Rhein – er fließt zwar nur in eine Richtung, aber der Tourist darf alles doppelt genießen.






Fährmann, hol über – in Kaub
Bei Kaub wartete die nächste Fähre. Die Fahrt war kurz, der Dialog mit dem Fährmann ebenso.
Ich fragte nach dem Preis.
Er: „Drei Euro fünfzig.“
UNESCO funktioniert also auch analog – Bargeld bitte passend.
Zurück auf der rechten Rheinseite ging es die letzten Kilometer zurück zur Loreley.
In der Nachmittagssonne glitzerte der Rhein wie ein Instagram-Filter aus dem Jahr 2015 – hübsch, aber hohl.



Fazit – Ein Weltkulturerbe sucht seinen Wasserstand
Zurück am Auto war ich erschöpft, aber zufrieden. Ich hatte geradelt, ich hatte geschaut, ich hatte gespottet.
Und trotzdem blieb am Ende die Erkenntnis:
Ich kapier’s nicht.
Was genau an diesem Flusstal „einmalig“ sein soll, erschließt sich mir einfach nicht.
Klar, die Burgen sind nett. Die Dörfer sind pittoresk.
Aber das war’s auch. Der Rhein selbst? Eher ein Schatten seiner selbst.
Wegen fehlender Niederschläge plätscherte er lustlos durch sein Bett, als hätte er selbst keine Lust mehr auf den ganzen Kulturerbe-Hype.
Vielleicht liegt es an mir.
Vielleicht an Goethe.
Oder vielleicht einfach daran, dass man sich auch an Schönheit sattsehen kann – wenn sie einem auf jedem zweiten Schild entgegen blinkt.
Aber immerhin: Ich bin gereist. Nicht angekommen.
Aber ich habe trotzdem etwas gefunden – genügend Material für diesen Blog.