🏞 Teil 8: Die goldene Wandernadel und die Schlacht an der Viktoriasicht

01.05.25 – Tag der Arbeit. Und weil Feiertage zum Ruhen gedacht sind, beschlossen wir, exakt das Gegenteil zu tun: wandern. Nicht irgendein Spaziergang am Strand, sondern eine ordentliche Tour im Nationalpark Jasmund, zu einem der bekanntesten Naturwunder Deutschlands: dem Königsstuhl.

Der Ausgangspunkt war der Parkplatz am Nationalparkzentrum in Sassnitz. Der Plan: eine 8,5 Kilometer lange Wanderung ĂŒber die KreidekĂŒste, durch den Buchenwald, mit Fotostopps, Schweiß, FlĂŒchen und hoffentlich einem Kaffee am Ende. Spoiler: Es gab alles davon. Außer den Kaffee.

Der Weg selbst war – zugegeben – wunderschön. Der Wald uralt, die Luft klar, der Boden federnd. Man spĂŒrte, dass die Natur hier noch was zu sagen hat. Spatzl ging voran, Schritt fĂŒr Schritt, wie ein Bergziege mit norddeutschem Zielbewusstsein. Ich schnaufte hinterher, versuchte mein bestes „Ich genieße das gerade total“-Gesicht aufzusetzen und Ă€rgerte mich darĂŒber, dass ich keine zweite Wasserflasche eingepackt hatte.

Nach etwa der HĂ€lfte der Strecke kamen wir am Wasserfall Kieler Bach vorbei – eine kleine Kaskade, aber inmitten der Kreidefelsen wirkte sie geradezu spektakulĂ€r. Ich schoss ein Foto, das Casper David Friedrich vermutlich applaudiert hĂ€tte. Nebel, Felsen, Dramatik – fehlte nur noch der Mönch im Vordergrund. Spatzl erklĂ€rte, das sei das beste Bild des Urlaubs. Ich erklĂ€rte, dass ich ihre Sportlichkeit gerade nicht mehr leiden könne.

Weiter ging’s zum eigentlichen Ziel: Viktoriasicht und schließlich Königsstuhl. Klingt königlich, fĂŒhlte sich aber eher wie ein Besuch auf dem Jahrmarkt an. Menschenmassen, GedrĂ€nge, Selfie-Manöver am Abgrund, Menschen mit Drohnen, Kindern, Hunden, Kinderwagen und erstaunlich viel ParfĂŒm fĂŒr eine Waldwanderung. Wer hier ein ruhiges Naturerlebnis sucht, hat die Rechnung ohne die Reisebusfraktion gemacht.

Wir stellten uns also brav an – die Selfie-Schlacht an der Viktoriasicht war in vollem Gange. Instagram-Stories wurden gedreht, Influencerinnen balancierten auf Wurzeln, wĂ€hrend ihre Begleiter sie „noch ein bisschen mehr von links“ fotografierten. Und mittendrin wir – leicht erschöpft, leicht genervt, aber mit dem festen Willen, auch unser Foto zu bekommen. Mission erfĂŒllt. Mit MĂŒhe.

Der Königsstuhl selbst ist mittlerweile nur noch mit Eintritt zugĂ€nglich – der Nationalpark lĂ€sst sich die Aussicht bezahlen. Wir verzichteten großzĂŒgig. Aussicht hatten wir genug gehabt. Stattdessen stiegen wir in den Bus zurĂŒck nach Sassnitz. Unsere Knie dankten es uns, unsere FĂŒĂŸe weniger.

Dort gönnten wir uns ein Abendessen in einer kleinen, charmanten Pizzeria – mit rustikaler Einrichtung, freundlicher Bedienung und knuspriger Pizza, wie man sie sich am Ende eines Wandertags wĂŒnscht. Kein Firlefanz, einfach nur satt und glĂŒcklich.

Fazit des Tages: Wer sich durch Selfie-JĂ€ger und Kreide-Kitsch kĂ€mpft, hat sich eine virtuelle goldene Wandernadel mehr als verdient. Spatzl sowieso. Ich vielleicht auch. Die Ostsee zeigte sich heute von ihrer majestĂ€tischen Seite – wenn auch leicht ĂŒberlaufen. Aber hey – Natur muss man teilen. Oder sich zumindest durch sie durchkĂ€mpfen.

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