Bettendorf: Metropole des Wahnsinns?

Bettendorf – der Name klingt schon fast wie der eines friedlichen Dorfs irgendwo in einer Postkartenidylle. Man denkt an Natur, Gemütlichkeit und Ruhe. Doch wer in dieses Dorf des Wahnsinns zieht, wird schnell eines Besseren belehrt. Seit dem 1. Oktober 2022 leben mein Spatzl und ich in dieser „aufregenden“ Ortschaft im nordwestlichen Taunus, und ich arbeite hier Tag für Tag im Homeoffice. Das klingt entspannter, als es ist.

Kaum haben wir uns hier niedergelassen, war klar, dass Bettendorf seine eigenen Regeln hat. Der Durchgangsverkehr auf der Hauptstraße direkt vor unserer Haustür ist dafür das beste Beispiel. Es beginnt mit einer Tempo-30-Zone – ja, das sollte eine Einladung zu Entschleunigung und Ruhe sein. Aber nicht hier. Tagsüber wird die Hauptstraße von Schwerlastverkehr genutzt, der zum Industriegebiet im nahegelegenen Miehlen unterwegs ist. Und als wäre das nicht genug, donnert auch die Landwirtschaft mit ihren Traktoren durch. 30 km/h? Hier ist das nur eine Zahl auf einem Schild, die mit der Realität herzlich wenig zu tun hat.

Und dann kommt die Kurve – eine scharfe Linkskurve, nur wenige Meter nach dem Beginn der Zone. Man würde erwarten, dass die Fahrer langsamer werden. Weit gefehlt! Hier wird noch einmal richtig auf die Tube gedrückt, als ob es einen Wettbewerb gäbe, wer die Kurve am schnellsten nimmt. Vielleicht gibt es ja eine Rangliste der „Kurven-Könige von Bettendorf“? Ich würde mich nicht wundern.

Besonders spannend wird es, wenn man sich den Bürgersteig auf der rechten Seite dieser Kurve ansieht. Er ist verengt, was bedeutet, dass die Fußgänger in einem ständigen Balanceakt leben. Ein weiterer Grund, um langsamer zu fahren? Offenbar nicht. Ein Hoch auf die Fahrkünste der Durchreisenden!

Da stehe ich also, oft draußen vor der Tür mit meinem Spatzl, und wir beobachten dieses tägliche Spektakel. Wir sind die zwei, die im Dorf dafür bekannt sind, ständig vor der Tür zu rauchen. „Ach, da stehen sie wieder“, denken sich wahrscheinlich die Nachbarn. Aber was sie nicht wissen: Wir betreiben hier unsere eigene kleine Studie über die Geschwindigkeitstoleranzen der Autofahrer. Es ist wie eine Reality-Show, nur ohne Einschaltquote.

Abgesehen vom rasenden Verkehr haben wir es geschafft, uns in der Dorfgemeinschaft einzufinden. Seit einem Monat sind wir nun Mitglied im örtlichen Sportverein TV Bettendorf, wo wir zweimal pro Woche am Langhanteltraining teilnehmen. Ja, du hast richtig gehört. Langhanteltraining in einem Dorf, das so klein ist, dass man den Sportverein beim Vorbeifahren fast übersieht – es sei denn, man fährt mit den hier üblichen 60 km/h durch die Tempo-30-Zone, dann hat man ohnehin keine Chance. Unser Training findet jeden Montag und Donnerstag um 18 Uhr statt. Wenn wir dann, schwer beladen mit unseren Sporttaschen, zur Halle laufen, wird das Betreten des Bürgersteigs fast zu einer Extremsportart. Es geht weniger um die Langhantel im Verein, als darum, sicher durch die Kurve zu kommen, ohne vom Verkehr überrollt zu werden.

Trotz allem muss ich sagen: Bettendorf hat seine ganz eigene Art von Charme. Sicher, das Dorf des Wahnsinns wird wahrscheinlich nie auf der Liste der Top-10-Reiseziele landen, aber für uns hat es alles, was man für ein „aufregendes“ Leben braucht. Hier gibt es spannende Rennen auf der Hauptstraße, Extremsport auf dem Bürgersteig und einen Sportverein, in dem man sich in Ruhe abseits der Verkehrsgefahr fit halten kann.

Willkommen in Bettendorf – dem Zentrum der Ruhe und des Wahnsinns zugleich. Wer weiß, vielleicht wird eines Tages sogar die Geschwindigkeitsbegrenzung respektiert. Aber bis dahin genießen wir die Show direkt vor unserer Haustür.

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