Ein Wochenende im Dienste seiner Majestät – oder: Wie ich lernte, den Selfiestick zu fürchten

Es war einmal … ein ganz normales Wochenende im März. Die Vögel zwitscherten (na ja, sie hätten es getan, wenn sie sich nicht vor Regen und Touristenmassen in die Alpen zurückgezogen hätten), die Berge lagen noch schneebedeckt, mystisch verhüllt im Nebel, und Spatzl hatte eine Idee: „Lass uns Schloss Neuschwanstein anschauen, das ist sooo romantisch!“ – Aha. Romantik, dachte ich. Das Hotelzimmer in Tutzing war ja schon gebucht. So nickte ich brav, und das Schicksal nahm seinen Lauf.

Tutzing – Idylle mit Potenzial

Ich gebe es zu: Das Hotel direkt am Starnberger See war ein Volltreffer. Hätte man mich dort mit einem Kaffee, einem Croissant und dem beruhigenden Plätschern des Wassers zurückgelassen, wäre ich restlos glücklich gewesen. Doch Spatzl hatte andere Pläne. Hardcore-Tourismus. Samstagmorgen, direkt nach dem Frühstück, Abfahrt Richtung Füssen – Ziel: König Ludwigs steingewordener Größenwahn.
Hohenschwangau – Wo Märchen sterben

Schon direkt am Parkplatz wird klar: Der König war zwar ein Visionär, aber kein Menschenfreund. Warum sonst baut man ein Schloss, das man nur über einen steilen Bergpfad erreicht, idealerweise bei Nieselregen und Temperaturen um den Gefrierpunkt? Dort angekommen, drängeln sich Touristen aus aller Welt wie auf dem Schlussverkauf bei IKEA. Selfiesticks sirren durch die Luft, als wären wir mitten in einem Drohnenangriff, während sich asiatische Reisegruppen und Instagram-Influencer gegenseitig in die Knie treten.

Eintrittspreis ins Absurde

Ich hatte mich bis zu diesem Tag erfolgreich geweigert, den bayerischen Staat für seine Märchenarchitektur zu alimentieren. Aber diesmal – Spatzl sei Dank – musste ich blechen. Über 20 Euro pro Nase für ein Schloss (21 Euro Eintritt plus 2,50 Euro Bearbeitungsgebühr für den Onlineshop pro Person), das … Trommelwirbel … zu vier Zimmern fertig ist. Kein Witz. Der Rest ist mehr unverputzt als Glanz. Aber immerhin: viel Gold. Viel Samt. Viel „Wagner war mein BFF“-Vibes.

Fazit: Ein Königreich für meine Ruhe

Nach 30 Minuten Führung, 14 asiatischen Blitzlichtgewittern und einer spontanen Panikattacke beim Verlassen des Souvenirladens („Spatzl, nein, wir brauchen kein Panoramapuzzle!“) war ich mir sicher: Einmal reicht. Neuschwanstein ist der perfekte Ort, um herauszufinden, was passiert, wenn man Kultur, Kitsch und Kapitalismus in einen Mixer schmeißt und mit 5.000 Tagesbesuchern serviert.

Ich empfehle das Schloss jedem, der dringend ein neues Level an Geduld erlernen möchte. Oder eine Reisegruppe organisieren muss. Alle anderen: Machts wie Ludwig – träumt lieber von euren Schlössern.

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