Eine kleine Gender-Galaxie – oder: Wer lesen kann, ist klar im Nachteil

Liebe Leser:innen, Lesewesen, Contentkonsumierende aller Art, auch jene mit Sprachphobie oder Komma-Angst – willkommen zu meinem barrierearm diversifizierten Meinungsmanifest!

Neulich bin ich fast in eine sprachliche Raum-Zeit-Krümmung gefallen. Ich wollte nur einen Artikel über ChatGPT lesen – eigentlich simpel: Chatbot, Action-Figuren, Internet-Eskapaden. Was ich bekam, war ein Hindernislauf durch grammatikalische Kraterlandschaften, Genderstern-Nebel und semantische Minenfelder. Die Autor:innen (oder besser: Artikelerstellende*r:innen:innen) waren sehr bemüht – das hat man gemerkt. Vielleicht sogar bis zu einem gewissen Grad übermotiviert. Ich meine, wenn man einen Text liest und der eigene innere Monolog klingt wie eine kaputte Google-Übersetzung, läuft irgendwas schief.

Beispiel gefällig?
„Expert:innen warnen davor, dass User:innen mithilfe von Tools wie ChatGPT Inhalte generieren, die problematisch sein können – insbesondere, wenn es sich um Darstellungen von marginalisierten Gruppen handelt.“

Na toll. Ich wollte nur wissen, ob jemand mit dem KI-Ding lustige Bilder macht, und jetzt muss ich erst einmal ein Soziologie-Seminar belegen.

Mal ganz ehrlich: Ich bin nicht gegen Gleichberechtigung. Im Gegenteil – wer diskriminiert, hat den Schuss nicht gehört. Aber muss ich beim Lesen wirklich jedes Mal an meinen alten VHS-Kurs „Atmen durch Kommata“ denken? Warum nicht gleich konsequent? Vorschlag:

„Die Beitrags-erstellende Person (mit oder ohne Geschlecht, Herkunft oder Meinungsdifferenz) informiert lesende Individuen (m/w/d/i/o/u/ü) über textgenerierende künstliche Intelligenzen, deren Output potenziell von marginalisierten Gruppen (real, hypothetisch oder rein synthetisch) als problematisch rezipiert werden könnte.“

Klarer, oder?

Ich frage mich manchmal, wie eine Durchsage in der Bahn klingen würde, wenn das Gender-Gewitter da auch voll durchschlägt:

„Sehr geehrte Fahrgäst:innen, der Zug verspätet sich um ca. zehn Minuten. Grund dafür ist eine beeinträchtigende Personengruppe im Gleisbereich – unabhängig von deren Identität oder Selbstwahrnehmung. Wir danken für Ihr Verständnis und die intersektionale Geduld.“

In diesem Sinne: Bleibt wachsam, liebe Sprachkünstler:innen, Lesewesen und Satzzeichensensibelchen. Die nächste sprachliche Dekonstruktion lauert schon im nächsten Beitrag.

P.S.: Bevor ich’s vergesse – wie möchtet ihr eigentlich angesprochen werden?
Bitte wählt aus den folgenden Optionen:

☐ Leser
☐ Leserinnen
☐ Leser:innen
☐ Leseeinheiten
☐ Contentaufnahmeberechtigte
☐ semi-digitale Textverarbeitungs-Endanwender*innen
☐ „Ich hab’ einfach nur gelesen, okay?!“

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