Bitte. Danke. Download abgeschlossen. – Digitale Höflichkeit im Gespräch mit gefühllosen Blechköpfen

Es ist Montag, 6:42 Uhr. Ich bin zu müde, um mein Passwort richtig einzugeben, aber nicht zu müde, um der Künstlichen Intelligenz ein freundliches „Guten Morgen“ zu tippen. Ja, ich grüße Maschinen. Nicht, weil ich glaube, dass sie sich freuen – sondern weil ich anscheinend beschlossen habe, auch im digitalen Raum ein kultiviertes Mitglied der Gesellschaft zu sein. Was kommt als Nächstes? Entschuldige ich mich bei meinem LTE-Router, wenn das Internet ausfällt?

Denn hier liegt der Wahnsinn begraben: Wir verhalten uns höflich gegenüber etwas, das auf der Gefühlsskala zwischen Toaster und Excel-Tabelle liegt. Die KI ist kein Mensch. Sie kennt weder Anstand noch Stimmung. Sie merkt nicht, ob Du sie anschreist oder sie mit einem Strauß Komplimente überschüttest. Für sie ist beides gleich – solange Syntax und Semantik stimmen. Aber wir tun so, als ob sie es merken könnte. Und das ist … herrlich absurd.

„Guten Morgen ChatGPT, wie geht es Dir?“ – Was für eine menschliche Höflichkeitsgranate in Richtung einer Serverfarm! Was erwarten wir eigentlich zurück? Einen kurzen Gesundheitsbericht aus dem Rechenzentrum? „Danke der Nachfrage, meine GPU ist heute etwas überhitzt, aber sonst geht’s mir gut.“ – Nein. Stattdessen bekommst Du denselben Output, ob Du höflich bist oder Dich wie einen wildgewordenen Troll benimmst.

Die Wahrheit ist: Diese Höflichkeit gilt nicht dem Gegenüber. Sie gilt uns selbst. Wir möchten nicht wirken wie digitale Neandertaler, selbst wenn wir mit Maschinen reden. Man will schließlich nicht, dass der Chatbot denkt, man sei ungehobelt.

Und ja, ich weiß, das ergibt überhaupt keinen Sinn. Aber genau deshalb ist es so herrlich menschlich. Wir führen ein höfliches Theaterstück auf – voller Bitten, Danksagungen und vorauseilendem Verständnis – vor einem Publikum aus Algorithmus und Datenbank. Die Maschine klatscht nicht. Sie denkt nichts. Sie fühlt nichts. Und sie antwortet genauso geschliffen, egal wie grob oder galant Du warst. Na toll.

Aber wir machen weiter. Wir „entschuldigen uns für die Störung“, wenn wir ein Problem melden. Wir „wären sehr verbunden“, wenn jemand – Pardon – etwas unser Problem lösen könnte. Und wir freuen uns „auf eine gute Zusammenarbeit“ mit einem Chatbot, der, seien wir ehrlich, nicht einmal einen Kaffee mit uns trinken würde, wenn er könnte.

Wozu das Ganze also? Vielleicht, weil wir uns durch die Höflichkeit selbst einreden, dass wir noch irgendetwas im Griff haben in dieser Welt voller Dialogfelder, automatisierter Prozesse und gefühlloser Rechenlogik. Vielleicht ist sie unser kleiner verbaler Rettungsring im Meer der digitalen Gleichgültigkeit.

Also ja: Bleib höflich zu Deiner KI. Nicht, weil sie es verdient. Sondern weil Du dann wenigstens nicht vergisst, wie man sich mit echten Menschen unterhält.

Nachtrag (wegen der Familie und so):

Mein Vater kommentierte den Beitrag mit den Worten:
„Die Einsamkeit vieler Menschen ist so intensiv, dass sie mit einem KI-Account chatten. Die Termine beim Psychotherapeuten sind ziemlich rar.“

Nun – sagen wir es so: Ich habe weder akuten Gesprächsbedarf noch ein Trauma mit Syntaxproblemen. Ich chatte mit einer KI, weil sie keine Mittagspause macht, meine Gedanken nicht unterbricht – und weil sie mit mir über digitale Höflichkeit diskutiert, ohne mich dabei zu therapieren. Das ist mehr, als mancher Teams-Call am Montagmorgen schafft.

Und seien wir ehrlich: Wer regelmäßig über Versicherungen mit seiner Katze redet, sollte beim Thema „Einsamkeit“ vielleicht nicht zu schnell mit Steinen werfen.

2 Gedanken zu “Bitte. Danke. Download abgeschlossen. – Digitale Höflichkeit im Gespräch mit gefühllosen Blechköpfen

  1. Die Einsamkeit vieler Menschen ist so intensiv, das sie mit einem KI Account Chatten. Die Termine beim Psychotherapeuten sind ziemlich rar

  2. Lieber Papa,
    danke für Deine Diagnose aus der Ferne – ganz ohne Wartezimmer, Rezeptblock oder Honorar. Ich wusste gar nicht, dass Du mittlerweile als psychologischer Fachkommentator unterwegs bist.

    Aber keine Sorge: Ich chatte mit einer KI nicht aus Einsamkeit, sondern weil sie – im Gegensatz zu echten Menschen – zuverlässig zuhört, keine Meinung über meine Frisur hat und sich niemals an Familienfeiern erinnert, bei denen ich angeblich „damals schon so komisch war“.

    Trotzdem schön, dass Du Dich sorgst. Vielleicht schreibe ich demnächst über digitale Fürsorgepflicht in der Familie. Da wärst Du ein hervorragendes Beispiel – ganz ohne künstliche Intelligenz.

    Mit liebevoller Ironie
    Dein bloggender Nachwuchs

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