Ach ja, der Herbst. Die Blätter färben sich bunt, die Luft wird kühler, und die Menschenmassen stürzen sich wie hungrige Raubtiere auf den nächsten Stadtfest-Klassiker. Dieses Jahr fiel unser Ziel auf den Oktobermarkt in Nastätten – ein Event, das wirklich alles hat, was man für einen gelungenen Wahnsinnsausflug braucht: Fahrgeschäfte, Fressbuden und unzählige Stände mit Nippes, den die Welt schon 1972 nicht gebraucht hat.
Schon bei der Ankunft war klar, dass dies kein gewöhnlicher Spaziergang wird. Statt in der freien Natur, zwischen herrlichen Wanderwegen und dem beruhigenden Zwitschern der Vögel, fanden wir uns mitten im Getümmel wieder. Man könnte sagen, die Menschenmassen glichen einem Wildwechsel auf der B274 – nur mit mehr Elan und weniger Orientierungssinn. Doch ein echter Abenteurer lässt sich von einer Horde Freizeitshopper in Bermudashorts und Flip-Flops nicht abschrecken. Schließlich hieß es: durchhalten, durchschlängeln und den Duft von gebrannten Mandeln genießen, der sich mit einer leichten Note von überteuertem Fett vereinte.
Die Fahrgeschäfte boten dabei eine Auswahl, die keinen echten Nervenkitzel vermissen ließ. Da wäre unter anderem der Autoscooter, ein echtes Highlight für alle, die schon immer davon geträumt haben, einen Führerschein zu machen, aber lieber darauf verzichten, ihre Versicherungspolicen durchzulesen. Hier wurde gekracht, gerammt und im Kreis gefahren, als wäre es der Nürburgring der Kleinstadt. Dahinter stand das Riesenrad, das sich gemächlich in die Höhe schraubte und einen Ausblick auf das gesamte Marktchaos bot – inklusive der leuchtenden Zuckerwatteberge und einer nicht enden wollenden Schlange vor dem Schwenkbratenstand. Man könnte fast meinen, es gäbe dort etwas zu sehen, was über das übliche Panorama aus Marktständen und Parkplatz hinausgeht. Aber wenn man ganz ehrlich ist, bleibt der Höhepunkt eine abwechselnde Aussicht auf die örtliche Kirche und die unübersehbare „Achtung Baustelle“-Beschilderung der Römerstraße.
Das Spiegelhaus stand ebenfalls stolz inmitten des Getümmels, seine glitzernde Fassade lockte mit dem Versprechen von optischen Täuschungen und verirrten Besuchern, die drinnen vermutlich wie labyrinthische Mäuse nach dem Ausgang suchten. Wir beschlossen allerdings, uns diesen „Spaß“ nur von außen anzuschauen – ein weiser Entschluss, wie sich herausstellte. Denn schon beim Betrachten der Besucher, die in alle Richtungen aus dem Spiegelhaus stolperten, konnte man erahnen, dass drinnen nicht nur die Spiegel verzerrt waren, sondern wahrscheinlich auch das Raum-Zeit-Gefüge. Schließlich braucht man für ein echtes Abenteuer keine künstlichen Reflexionen, sondern einfach nur eine Prise gesunden Menschenverstands, um solche „Attraktionen“ weiträumig zu umgehen.
Nach einigen Minuten des ziellosen Herumschlenderns – „Wandern“ wäre hier wirklich das falsche Wort – kamen wir zu den Fressbuden, die sich wie Perlen an einer Schnur aneinanderreihten. Es war eine bunte Mischung aus Bratwurst, Schwenkbraten, Pommes rot-weiß und anderen Kalorienbomben, die jedem Ernährungsberater den Angstschweiß auf die Stirn treiben würden. Aber wenn man schon mal da ist, wäre es fast unhöflich, nicht wenigstens einen Schwenkbraten zu probieren. Oder zwei. Und für den kleinen Hunger zwischendurch natürlich noch eine Portion Pommes. Man gönnt sich ja sonst nichts – außer vielleicht das Gefühl, dass man nach so einem Ausflug erst mal eine Entschlackungskur nötig hat.
Und dann war da noch der Höhepunkt des Tages: der Stand mit 3D-Pop-up-Karten. Ja, man könnte sagen, wir waren förmlich überwältigt von der Auswahl an filigranen Papierkunstwerken, die sich zu Schlössern, Blumensträußen oder niedlichen Tierchen entfalten, sobald man sie öffnet. So kunstvoll und detailverliebt, dass man für einen kurzen Moment fast vergisst, dass es sich im Grunde nur um sehr ausgefallene Grußkarten handelt, die ihren Weg in die Schublade finden, um dort ein Schattendasein neben alten Kassenbons und vergessenen Schlüsselanhängern zu fristen. Doch wer weiß, vielleicht war das wirklich die große Entdeckung des Tages – der Moment, in dem wir uns fragten, ob das Leben nicht mehr Pop-Top-Momente verdient hätte. Immerhin hat man mit einer solchen Karte nicht nur ein einzigartiges Geschenk, sondern auch gleich ein bisschen Nostalgie für den nächsten Frühjahrsputz.
Nachdem wir uns durch diese Parade des Überflusses gewühlt hatten, war es Zeit für eine kleine Pause im örtlichen italienischen Eiscafé. Eine Auszeit, die so notwendig war wie eine warme Dusche nach einem Winterlauf. Das Eis war tatsächlich lecker und erinnerte daran, dass selbst der trübste Oktobertag noch seine süßen Momente haben kann. Wir setzten uns hin, genossen unsere Portionen und beobachteten, wie die Menschen weiterhin den Markt bevölkerten, als gäbe es dort etwas zu holen, das man wirklich für sein Leben braucht – wie zum Beispiel noch mehr Weihnachtsdekoration im Oktober.
So viel Spaß der Oktobermarkt auch macht (oder auch nicht), eines wurde wieder einmal klar: Es ist ein Mikrokosmos des Wahnsinns, in dem die Zeit stillzustehen scheint. Hier wird aus jedem Spaziergang eine Art Hindernisparcours, bei dem man umherirrenden Kindern, wildgewordenen Zuckerwattefressern und Menschen mit XXL-Ballons ausweichen muss, während man gleichzeitig versucht, die letzten Reste seiner Würde zu bewahren. Wandern ist eben nicht immer nur durch die idyllische Landschaft zu streifen – manchmal ist es auch einfach ein Kampf ums Überleben in der Fußgängerzone.
Auf dem Rückweg nach unserem „Abenteuer“, fühlten wir uns, als hätten wir den Weg durch ein Labyrinth aus Zuckerwatte und Elektroschrott gefunden. Es war eine surreale Erfahrung, und ich kann jedem nur empfehlen, sich einmal im Jahr auf dieses Abenteuer einzulassen. Schließlich muss man ja wissen, wovon man spricht, wenn man behauptet, dass der beste Teil eines Oktobermarktes immer die Heimfahrt ist.
Das ist ja ein toller Artikel mit viel hintergründigem Humor.
Ach, was für ein schönes Kompliment – von jemandem, der mir Humor quasi in die DNA gelegt hat. 😄 Jetzt weiß ich, dass die langen Geschichten bei Familienfeiern auch wirklich Wirkung gezeigt haben. 😉