Es war kein jugendlicher Leichtsinn. Ich war Mitte dreißig.
Alt genug, um es besser zu wissen. Und trotzdem dumm genug, es zu tun.
Meine erste lange Radtour: über 1.100 Kilometer – mit einem MIFA Fitnessrad, Baujahr 2004. Rahmengröße 54. Und ich? 1,89 Meter, aufrecht, bewegungshungrig, mit dem Rücken eines Büroarbeiters und dem Selbstbild eines Tour-de-France-Teilnehmers.
Man hätte es planen können.
Man hätte recherchieren können.
Man hätte in ein passendes Rad investieren können.
Aber ich hatte nun mal dieses eine. Und es stand im Keller.
Und wer mit Mitte dreißig beginnt, Radreisen zu machen, stellt sich ungern selbst infrage – dafür ist es eigentlich schon zu spät.
Was das Rad konnte – und was nicht
Technisch gesehen war das Rad gar nicht schlecht. Alufelgen mit Messerspeichen. Klickpedale ab Werk. Shimano Sora-Schaltung mit Dreifach-Kettenblatt vorn, 8-fach-Kassette hinten. Die Felgenbremsen bissen besser zu als manche Scheibenbremsen heutiger Discounter-Bikes.
Und der kurze Rahmen? Machte es flink, agil und nervös wie ein Eichhörnchen auf Espresso.
Aber es war für meine Körpergröße ein ergonomischer Totalschaden. Die Sattelstütze war bis zur letzten Markierung ausgefahren, der Oberkörper gestreckt wie beim Bodenturnen. Die Sitzposition? Eine Mischung aus ambitionierter Selbstaufgabe und „Du wirst das morgen spüren, Kollege.“
Und ich spürte es. Jeden Tag.
Vor allem ab Kilometer 40.
Und trotzdem
Ich fuhr damit. Von Ludwigsfelde über Plankstadt bis kurz vor Tegernbach.
Mit Zelt, Gepäck, abnehmbarem Sattelstützenträger (für die gefederte Stütze!) und einer Haltung, die zwischen Trotz und Pragmatismus schwankte.
Warum? Weil es ging. Weil das Rad da war. Weil ich kein Influencer war, sondern einfach einer, der unterwegs sein wollte.
Ich hatte keinen Gravel-Trend, keine Taschen-Innovation, keine Wattmessung. Ich hatte einen Radcomputer, der manchmal ausstieg, sobald es regnete.
Und trotzdem fuhr ich weiter.
Heute – mit mehr Erfahrung, mehr Geld und weniger Bandscheibenrisiko
Heute würde ich dieses Rad niemandem mehr empfehlen – nicht mal mir selbst.
Heute weiß ich, wie man Rahmenhöhen berechnet.
Heute meide ich ab Werk verbaute Rückenschmerzen.
Aber damals? Damals war es eben der Kompromiss, den ich bereit war einzugehen.
Denn Radreisen sind selten die Summe optimaler Entscheidungen. Sie sind eher das Ergebnis einer Mischung aus Naivität, Unzufriedenheit mit dem Alltag und der Überzeugung: Irgendwie wird’s schon klappen.
Und es hat geklappt. Nicht bequem, nicht würdevoll – aber ehrlich.
Und das zählt mehr als jedes Marketingversprechen.
Fazit
Das MIFA war zu klein, zu hart und im Grunde eine Frechheit – aber es hat funktioniert.
Nicht, weil es perfekt war, sondern weil ich unterwegs war.
Und manchmal ist das alles, was zählt.
PS:
Falls du diesen Text in meinem zukünftigen Buch suchst – vergiss es. So ehrlich wird’s dort nicht. Da stehen nur die klugen Erkenntnisse im Nachhinein.
Die Blödheiten bleiben hier.